Die ersten Wissensvermittlungen sind geschafft und es war vor allem eins: unglaublich interessant und lehrreich!
Der Einsatz Lernen durch Lehren an der Förderschule unterscheidet sich in einigen Aspekten stark von meinen Erfahrungen am Gymnasium, viele Dinge ähneln sich wiederum. Aber fangen wir mal von vorne an…
Die SuS haben in Zweier-Teams ihre Inhalte (erst mal nur einzelne Wörter) so aufbereitet, dass die Vokabeln dem Rest der Klasse beigebracht werden konnten. Dabei hatten die Kinder folgende Ideen:
- Schnitzeljagd im Klassenzimmer und Flur mit Hinweisen zum Wort
- versteckte Puzzleteile, die das Bild des vorgestellten Tiers ergaben
- Pantomime
- Quiz

An Kreativität mangelte es nicht, im Gegenteil. Außerdem setzten alle Kinder die classroom phrases gezielt ein, die Aufmerksamkeit stieg mit jeder weiteren Wissensvermittlung und man konnte vor allem bei einzelnen SuS den Zuwachs an Mut und Selbstvertrauen bereits in den ersten Stunden beobachten.
Jedoch fühlten sich viele Lerner:innen vor allem mit der Selbstorganisation überfordert, was ich gut nachvollziehen kann. Es war für mich als Lehrkraft extrem herausfordernd, allen Teams bei der Erstellung ihrer Pläne zu helfen. Wie immer ließ ich bewusst Fehler geschehen, aus denen dann alle lernen können.
Ich biete den SuS während der Vorbereitungsphase nur Vorschläge und Tipps und versuche, möglichst wenig in die Struktur einzugreifen. Mit jedem weiteren Mal verbessert sich die Qualität der Wissensvermittlungen automatisch, man muss es nur zulassen! Aus jedem Fehler lernt die gesamte Gruppe!
Gerade am Anfang von LdL ist es wichtig, den Schülern freie Hand zu lassen. Ein Beispiel: Ein Team wollte sich partout keinen Plan aufschreiben. Ich rate immer dazu, da es sonst vor der ganzen Klasse schnell zur Überforderung kommt – was wollte ich gerade nochmal machen? Ich wusste natürlich, dass es so nicht funktionieren würde, die Kinder sollten diese Erfahrung aber unbedingt in unserem geschützten Rahmen selbst machen. Als das Team aufgrund des fehlenden Plans während seiner Wissensvermittlung an seine Grenzen kam, griff ich ein und fragte: „Was hätte euch denn jetzt geholfen?“ Die Frage durfte dann aber ein Kind aus der restlichen Lerngruppe beantworten und nochmal weitergeben und von einem weiteren Kind beantworten lassen. So funktioniert LdL nämlich: ALLE denken mit, auch wenn sie selbst nicht direkt betroffen sind. Schließlich sollen wir alle gemeinsam aus Fehlern lernen – auch ich als Lehrkraft. So wurde sich die gesamte Lerngruppe einig darüber, dass ein Plan eine Hilfe darstellt und hat dies ganz anders verinnerlicht, als wenn ich es ihnen einfach vorgeschrieben hätte.
Die Feedbackrunde
Nach jeder Wissensvermittlung gibt es eine Feedbackrunde. Schon während die Teams ihr Wissen weitergeben, notiere ich mir auf einer +/- – Liste alles, was ich gut fand und was man besser machen könnte. Im Anschluss gebe ich die Feedbackrunde an die Klasse ab: „Was war gut? Was kann man besser machen?“
Der Umgang mit Feedback ist eine Schlüsselkompetenz, die viel zu wenig gefördert wird. Wir üben das wirklich intensiv!
Die SuS sollen:
- Kritik konstruktiv formulieren.
- Konstruktive Kritik annehmen.
- Kritik gezielt umsetzen.
- Verstehen, dass sie mit ihrer Kritik den anderen nicht schaden, sondern helfen.
- Gemeinsam aus Kritik lernen.
Ganz schön viel und anspruchsvoll!
Zu Beginn sah die Kritik so aus:
„Was habt ihr gut gemacht?“ – „Die anderen haben gut zugehört.“
„Was hätte das Team besser machen können?“ – „Nichts.“
Es fällt den meisten Kindern (und Erwachsenen?) schwer, sich selbst zu loben. Und das noch vor anderen! Eine ebenso große Hürde stellt das Kritisieren von Mitschüler:innen dar. Im LdL-Unterricht lernt man, konstruktive Kritik als selbstverständlich anzusehen. Die Angst vor Fehlern schwindet mit der Zeit, denn wir nutzen sie als Hilfe. Jeder macht Fehler, „sogar“ wir Lehrer:innen und meine früheren LdL-Gruppen haben auch in Lehrbüchern zahlreiche Fehler entdeckt. Diese findet man jedoch nur, wenn man genau hinsieht, die Inhalte reflektiert und sich eine eigene, reduzierte Wissensvermittlung daraus bastelt.
So weit sind wir noch lange nicht, doch wie bereits erwähnt, ist mein primäres Ziel von LdL an der Förderschule die Förderung des Selbstbewusstseins und in diesem Bereich konnten wir in kürzester Zeit bereits Fortschritte erzielen.
Kurz und knapp noch mein erstes, vorsichtiges Fazit zum Einsatz von LdL an der Förderschule:
Ich verlange extrem viel von den Kindern und muss dabei vorsichtig und langsam vorgehen, mit viel Geduld und Fingerspitzengefühl. Im Fokus steht die Förderung von Schlüsselkompetenzen, von denen die Lerngruppe in sämtlichen Bereichen profitieren kann. Dies ist bereits nach kurzer Zeit ersichtlich. Es ist ein schmaler Grat zwischen Überforderung und Motivation. Es kostet mich viel Energie, aber die Fortschritte überzeugen mich. Wir lernen alle dazu. Und: Es macht uns Spaß!
Leider sehe ich die Lerngruppen jeweils nur einmal pro Woche, aber dafür klappt es richtig gut. Je öfter man LdL-Unterricht hat, umso schneller wird das Prinzip verinnerlicht. Aber wer weiß, wie es nach den Ferien weitergeht. 🙂